Verfahrensinformation



Die Bundesrepublik Deutschland begehrt in dem erstinstanzlichen Verfahren vom Land Brandenburg auf der Grundlage von Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG die Zahlung von 76 839 € wegen unberechtigt verwendeter Mittel für den Unterhaltsvorschuss.


Eine Sachbearbeiterin der Unterhaltsvorschussstelle eines Landkreises hat im Zeitraum von September 2006 bis Mai 2011 den Datenbestand der Abrechnungssoftware so manipuliert, dass 230 517 € an Unterhaltsvorschuss unberechtigt auf ihre eigenen Konten überwiesen worden sind. Geldleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wurden im hier maßgeblichen Zeitraum zu einem Drittel vom Bund, im Übrigen von den Ländern getragen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsvorschussgesetz). Der Landkreis hat der Sachbearbeiterin im Sommer 2011 fristlos gekündigt. Mit seit August 2016 rechtskräftigem Strafurteil ist sie zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Ersatzansprüche gegen sie hat der Landkreis nicht rechtzeitig geltend gemacht. Eine im Dezember 2017 erhobene Klage des Landes gegen den Landkreis auf Zahlung von 230 517 € hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit rechtskräftigem Urteil vom 1. Dezember 2022 abgewiesen.


Gegen den mit der Klage zum Bundesverwaltungsgericht geltend gemachten Anspruch aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG, wonach der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung haften, hat das beklagte Land die Einrede der Verjährung erhoben. Nach Auffassung der Klägerin ist die Forderung nicht verjährt.


Pressemitteilung Nr. 29/2025 vom 10.04.2025

Schadensersatzanspruch des Bundes gegen das Land Brandenburg wegen Veruntreuung von Bundesmitteln durch eine Mitarbeiterin der Unterhaltsvorschussstelle verjährt

Der Anspruch der Bundesrepublik Deutschland gegen das Land Brandenburg auf Zahlung von 76 839 € wegen der Veruntreuung von Bundesmitteln durch eine Mitarbeiterin einer Unterhaltsvorschussstelle ist verjährt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in einem erstinstanzlichen Verfahren entschieden.


Eine Mitarbeiterin der Unterhaltsvorschussstelle eines Landkreises hat im Zeitraum von September 2006 bis Mai 2011 den Datenbestand der Abrechnungssoftware so manipuliert, dass 230 517 € unberechtigt auf ihre eigenen Konten überwiesen worden sind. Geldleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wurden im hier maßgeblichen Zeitraum zu einem Drittel vom Bund, im Übrigen von den Ländern getragen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsvorschussgesetz). Der Landkreis hat der Mitarbeiterin fristlos gekündigt. Sie wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ersatzansprüche gegen sie hat der Landkreis nicht geltend gemacht. Eine im Dezember 2017 erhobene Klage des Landes gegen den Landkreis auf Zahlung von 230 517 € hat das zuständige Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 1. Dezember 2022 abgewiesen. Der Bund hat am 30. November 2023 Zahlungsklage gegen das Land Brandenburg erhoben.


Gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG haften der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Dass das Land Brandenburg hiernach dem Bund den durch die Veruntreuung der Unterhaltsvorschussmittel entstandenen Schaden zu ersetzen hatte, weil es sich das Fehlverhalten der Mitarbeiterin des Landkreises zurechnen lassen muss, war zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Land hat jedoch erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben. Die Verjährung war entgegen der Auffassung des Bundes nicht in analoger Anwendung des § 203 BGBdurch Verhandlungen über den Anspruch gehemmt. Das Land hatte dem Bund mitgeteilt, es habe seinerseits Ansprüche gegen den Landkreis geltend gemacht und werde, wenn der Landkreis zahle, ein Drittel der Schadenssumme an den Bund überweisen. Der Bund hat den Ausgang des Klageverfahrens gegen den Landkreis abgewartet. Seinen Anspruch gegen das Land hat er jedoch nicht in Frage gestellt und nicht zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht. Er hat mit dem Land auch kein Stillhalteabkommen für die Dauer des Prozesses gegen den Landkreis geschlossen, dem Land also kein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne von § 205 BGBeingeräumt.


Fußnote:

Satz 1: Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. …


Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.


BVerwG 3 A 1.23 - Urteil vom 10. April 2025


Urteil vom 10.04.2025 -
BVerwG 3 A 1.23ECLI:DE:BVerwG:2025:100425U3A1.23.0

Verjährung eines Schadenersatzanspruchs der Bundesrepublik Deutschland aus Art.|104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG gegen das Land Brandenburg wegen Veruntreuung von Bundesmitteln

Leitsatz:

Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB ist auf Haftungsansprüche im Verhältnis von Bund und Ländern für eine ordnungsmäßige Verwaltung aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG entsprechend anwendbar.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 104a Abs. 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2
    VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Nr. 1
    BGB §§ 195, 199 Abs. 1 und 3, §§ 203, 205, 209, 214
    UhVorschG § 8 Abs. 1 Satz 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.04.2025 - 3 A 1.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:100425U3A1.23.0]

Urteil

BVerwG 3 A 1.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Sinner und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin - die Bundesrepublik Deutschland - begehrt von dem beklagten Land Schadenersatz wegen Veruntreuung von Bundesmitteln (Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG).

2 Der Forderung liegt zugrunde, dass eine Sachbearbeiterin der Unterhaltsvorschussstelle des Landkreises Oder-Spree im Zeitraum von September 2006 bis Mai 2011 den Datenbestand der Abrechnungssoftware so manipulierte und die Abrechnungen monatlich freigab, dass insgesamt 230 517 € Unterhaltsvorschuss unberechtigt auf ihre eigenen Konten überwiesen wurden. Unterhaltsvorschussleistungen wurden in diesem Zeitraum gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsvorschussgesetz zu einem Drittel vom Bund, im Übrigen von den Ländern getragen. Der Landkreis kündigte der Sachbearbeiterin im Sommer 2011 fristlos. Mit seit August 2016 rechtskräftigem Strafurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. November 2015 wurde sie wegen gewerbsmäßiger Untreue in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Computerbetrug - jeweils unter Missbrauch ihrer Befugnisse oder ihrer Stellung als Amtsträgerin - in 20 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Ersatzansprüche gegen sie machte der Landkreis nicht geltend. Eine im Dezember 2017 erhobene und auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützte Klage des Beklagten gegen den Landkreis auf Zahlung von 230 517 € wies das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) mit rechtskräftigem Urteil vom 1. Dezember 2022 ab.

3 Mit Schreiben vom 23. Juni 2023 forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr Schadenersatz in Höhe des Bundesanteiles, 76 839 €, zu zahlen. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

4 Die Klägerin hat am 30. November 2023 Klage erhoben. Dass die Klägerin nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG einen Anspruch auf Ersatz ihres Schadens hat, ist nach Grund und Höhe unbestritten. Die Beteiligten streiten über die Verjährung. Die Klägerin macht geltend, die dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB analog sei bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen. Ihr Anspruch sei erst entstanden, nachdem im Juli 2014 der Regressanspruch gegen die Sachbearbeiterin verjährt gewesen sei. Vorher habe lediglich eine Vermögensgefährdung bestanden. Erst durch die Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofs vom 19. Juli 2017 habe sie positive Kenntnis von den Umständen erlangt, die den Anspruch begründeten. Der Beklagte habe pflichtwidrig unterlassen, auf den Landkreis einzuwirken, den Regressanspruch gegen die Sachbearbeiterin vor Verjährungseintritt geltend zu machen. Die Verjährung habe mit Kenntnis von der weiteren Pflichtverletzung erneut zu laufen begonnen. Sie sei seit dem Jahr 2017 gemäß § 203 Satz 1 BGB durch Verhandlungen zwischen den Beteiligten gehemmt gewesen. Der Beklagte habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Zahlung des Landkreises abwarten zu wollen, bevor er ihren Anspruch erfülle. Die Klägerin habe den Beklagten nicht in "Vorkasse" treten lassen wollen, zugleich aber mit Schreiben vom 20. Januar 2020 deutlich gemacht, sie werde den Beklagten unabhängig vom Ausgang seiner Klage gegen den Landkreis in Haftung nehmen. Er habe sie unter Hinweis auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen den Landkreis von einer gerichtlichen Durchsetzung ihres Regressanspruchs abgehalten. Wenn er sich nun auf Verjährung berufe, stelle das eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die zehnjährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB analog habe im Juli 2014 zu laufen begonnen und sei bei Klageerhebung ebenfalls gewahrt gewesen. Es spreche aber ohnehin vieles dafür, dass die dreißigjährige Verjährungsfrist auf den Anspruch aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG anwendbar sei.

5 Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 76 839 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 30. November 2023 zu zahlen.

6 Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

7 Für die Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei die erstmalige Information der Klägerin durch den Beklagten im Juli 2011 maßgeblich. Die den Anspruch begründenden Umstände seien der Klägerin spätestens seit der Mitteilung des Beklagten vom 25. November 2015 über das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. November 2015 bekannt gewesen. Weil sie nicht gesprächsbereit gewesen sei und den Beklagten lediglich zur Zahlung aufgefordert habe, hätten keine Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB geschwebt. Jedenfalls habe die Verjährungshemmung spätestens mit der E-Mail der Klägerin vom 6. April 2018 geendet, in der sie mitgeteilt habe, ihren Anspruch gegen den Beklagten unabhängig vom Ausgang seines Klageverfahrens gegen den Landkreis weiterverfolgen zu wollen. Die Erhebung der Klage gegen den Kreis habe gegenüber der Klägerin keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es ihr erlaubt hätte, von verjährungshemmenden Schritten abzusehen.

II

8 Die Klage ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

9 1. Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet; eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor (§ 40 Abs. 1 Satz 1, § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 14 ff. und vom 8. November 2018 - 3 A 19.15 - BVerwGE 163, 335 Rn. 11, jeweils m. w. N.). Die mit der Klage geltend gemachte Forderung ist zwar auf Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG gestützt, wurzelt aber in dem durch das Unterhaltsvorschussgesetz begründeten Rechtsverhältnis; dieses Rechtsverhältnis ist Grundlage für die Verwaltung der Unterhaltsvorschussmittel. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die hier vorliegende Streitigkeit zwischen dem Bund und einem Land auch sachlich zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - a. a. O. Rn. 18 m. w. N. und vom 9. Dezember 2022 - 3 A 1.21 - BVerwGE 177, 237 Rn. 10).

10 2. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat zwar gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 76 839 € aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG (a)). Der Beklagte hat aber erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben (b)).

11 a) Nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG haften der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Die Vorschrift ist hier anwendbar (aa); die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten liegen vor (bb).

12 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG auch ohne Erlass des nach Absatz 5 Satz 2 vorgesehenen Ausführungsgesetzes eine Haftung wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern begründen. Die Vorschrift ist dann unmittelbar Grundlage eines Schadenersatzanspruchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 - 3 A 19.15 - BVerwGE 163, 335 Rn. 18 m. w. N.). Die Klägerin kann sich auch auf eine unmittelbare Geltung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG berufen; eine Regelung der Haftung auf einfachgesetzlicher Ebene besteht für den Bereich des Unterhaltsvorschusses nicht.

13 Eine unmittelbare Geltung kann Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG allerdings nur für einen "Haftungskern" entnommen werden, hinter dem auch das nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG vorgesehene Ausführungsgesetz nicht zurückbleiben dürfte. Die Vorschrift stellt nur für solche Haftungsfälle eine taugliche Anspruchsgrundlage dar, die nach ihren Merkmalen einem Kernbereich von Haftung zuzuordnen sind, nicht jedoch für jene, die in einem weiter gezogenen Haftungskreis angesiedelt sind (stRspr, BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 ‌- 3 A 19.15 - BVerwGE 163, 335 Rn. 20 m. w. N.).

14 Danach setzt der Schadenersatzanspruch in Fällen nicht ordnungsgemäßer Verwaltungsführung eines Landes eine rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzung eines für das Land handelnden Amtswalters in Ausübung eines öffentlichen Amtes voraus, die zu einem Schaden des Bundes geführt hat. Der Verengung auf einen Haftungskernbereich entspricht es, den Kreis der haftungsauslösenden Verhaltensweisen auf schwerwiegende Verletzungen der dienst- oder arbeitsrechtlichen Hauptpflichten, d. h. des Kernbereichs der zugewiesenen Pflichten, zu beschränken. Zudem muss die rechtswidrige Verwaltungsführung in der Verletzung von Vorschriften bestehen, die gerade der Wahrung der Belange des Bundes zu dienen bestimmt sind, und die Wahrnehmung der Belange des Bundes muss zu den Hauptpflichten des handelnden Amtswalters zählen. Schließlich liegt nahe, nur solche Haftungsfälle dem Kernbereich der Haftung zuzuordnen, bei denen die nicht ordnungsgemäße Verwaltungsführung zu Mehrkosten bei den Zweckausgaben des Bundes oder zu einer vergleichbaren Zweckausgabenverfehlung geführt hat; fehlt es hieran, kann der Haftungsfall jedenfalls nicht ohne Weiteres dem Kernbereich zugeordnet werden (stRspr, BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 - 3 A 19.15 - BVerwGE 163, 335 Rn. 21 m. w. N.). Den Materialien zu Art. 104a Abs. 5 GG lässt sich entnehmen, dass der Verwaltungsträger die durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln entstehenden Mehrkosten tragen soll (vgl. BT-Drs. 5/2861 S. 52 Ziffer 303; BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1994 - 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45 <58> und vom 2. Februar 1995 - 2 A 5.92 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 14 S. 20 f.). Das betrifft typischerweise Haftungsfälle, in denen zweckgebundene Mittel nicht für den vorgesehenen Ausgabenzweck eingesetzt werden.

15 bb) Gemessen daran liegen die Voraussetzungen einer unmittelbaren Haftung des Beklagten nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG für die Veruntreuung von Unterhaltsvorschussmitteln durch die Sachbearbeiterin vor ((1)). Dass der Landkreis die Sachbearbeiterin nicht in Regress genommen hat, begründet dagegen keine unmittelbare Haftung des Beklagten ((2)).

16 (1) Nach den rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Frankfurt (Oder) im Urteil vom 5. November 2015 hat die Sachbearbeiterin des nach dem Landesrecht für die Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes zuständigen Landkreises eine Summe von 230 517 € veruntreut. Darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung, den die Sachbearbeiterin in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes begangen hat, so dass sich der Beklagte nicht wegen des Exzesses seiner Bediensteten exkulpieren kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1994 - 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45 <57> und vom 2. Februar 1995 - 2 A 5.92 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 14 S. 21). Der Bundesanteil an den Unterhaltsvorschussmitteln von einem Drittel (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen <Unterhaltsvorschussgesetz - UhVorschG i. d. F. vom 17. Juli 2007, BGBl. I S. 1446>) und damit der der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich auf 76 839 €. Der Beklagte muss sich das Handeln der Beschäftigten des Landkreises, dem er mit der Verordnung zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVGDV) vom 3. August 1992 (GVBl. II/92 S. 480), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. Juli 2007 (GVBl. I/07 S. 118, 124), die Ausführung des UhVorschG übertragen hat, zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1994 - 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45 <56> und vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 23).

17 Dass der Beklagte das Unterhaltsvorschussgesetz nicht im Auftrag des Bundes (Art. 104a Abs. 2, 3 Satz 2 i. V. m. Art. 85 GG), sondern unter finanzieller Beteiligung des Bundes als eigene Angelegenheit (Art. 104a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 83 GG) auszuführen hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dem Land obliegt auch in einem solchen Fall die Wahrnehmung der finanziellen Interessen des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 - 3 A 19.15 - ‌BVerwGE 163, 335 Rn. 16; Hellermann, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 104a Rn. 161, 171; Siekmann, in: Sachs, GG, 10. Aufl. 2024, Art. 104a Rn. 53).

18 (2) Dass der Landkreis die Sachbearbeiterin nicht in Regress genommen hat, begründet keine Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin. Zwar muss sich der Beklagte auch insoweit eine etwaige Pflichtverletzung des Landkreises zurechnen lassen. Die Pflicht des Landkreises, Regressansprüche gegen seine Mitarbeiterin zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen, dient aber nicht - wie für den Haftungskern vorausgesetzt - den Interessen der Klägerin. Der Beklagte haftet ihr für den durch die Mitarbeiterin des Landkreises verursachten Schaden unabhängig davon, ob er seinerseits den Schaden vom Landkreis oder der Mitarbeiterin ersetzt bekommt. Im Übrigen wäre auch ein auf eine Verletzung dieser Pflicht gestützter Haftungsanspruch verjährt (vgl. unten b) cc)).

19 b) Der Beklagte hat erfolgreich die Einrede der Verjährung erhoben. Er ist in entsprechender Anwendung von § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Bei Erhebung der Klage am 30. November 2023 war Verjährung eingetreten. Die dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist war abgelaufen. Die Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB ist auf Haftungsansprüche im Verhältnis von Bund und Ländern für eine ordnungsmäßige Verwaltung aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG entsprechend anwendbar (aa)). Die Verjährung hat spätestens mit dem Schluss des Jahres 2017 begonnen (bb)). Sie war jedenfalls nicht über den 6. April 2018 hinaus in analoger Anwendung des § 203 Satz 1 BGB durch Verhandlungen über den Anspruch gehemmt (cc)). Die Klägerin hat dem Beklagten auch kein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne von § 205 BGB eingeräumt (dd)). Die von ihr erhobene Arglisteinrede greift nicht durch (ee)). Auf die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist kommt es damit nicht mehr an (ff)).

20 aa) Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195, 199 Abs. 1 BGB findet auf den Anspruch aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 entsprechende Anwendung.

21 Die Verjährung des Anspruchs aus Verwaltungshaftung nach Art. 104a Abs. 5 GG ist weder im Grundgesetz noch in einem Ausführungsgesetz geregelt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass jedenfalls vermögensrechtliche Ansprüche des öffentlichen Rechts der Verjährung unterliegen; nach welchen Regeln sich die Verjährung richtet, ist im Wege der Analogie zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 43, 45, jeweils m. w. N.).

22 Nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Unbeschadet von Besonderheiten, die sich aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben können, ist der Senat in seinem Urteil vom 17. März 2016 (3 C 7.15 - BVerwGE 154, 259 Rn. 38 ff.) davon ausgegangen, dass die regelmäßige Verjährungsfrist auch mit ihrer kenntnisabhängigen Voraussetzung (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) auf Ansprüche aus öffentlichem Recht anwendbar ist. Warum für die von der Klägerin geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche aus Verwaltungshaftung etwas Anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich.

23 bb) Die regelmäßige Verjährung des Haftungsanspruchs hat mit Schluss des Jahres 2015, spätestens mit Schluss des Jahres 2017 begonnen.

24 (1) Ein Anspruch ist im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (stRspr, vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - I ZR 141/21 - NJW-RR 2023, 480 Rn. 20 m. w. N.). Zur Entstehung eines Anspruchs gehört, dass dieser nach Inhalt, Gläubiger und Schuldner bestimmt ist (stRspr, vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2014 - IV ZR 153/13 - NJW 2014, 2342 Rn. 14 m. w. N.). Ein Schaden als Voraussetzung eines Schadenersatzanspruchs ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entstanden, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung im Vergleich zu seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt es, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch seine Höhe noch nicht beziffert werden können. Solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils besteht, ist ein Schaden noch nicht eingetreten, weil bei der gebotenen wertenden Betrachtung allenfalls eine Vermögensgefährdung vorliegt, so dass noch unklar ist, ob es wirklich zu einem Schaden kommt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 ‌- IX ZR 197/12 - NJW-RR 2015, 626 Rn. 8 m. w. N.). Bei rechtsverletzenden wiederholten Handlungen bzw. Dauerhandlungen ist die Verjährung von Schadenersatzansprüchen für jede Einzelhandlung gesondert zu beurteilen. Dies kann dazu führen, dass Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die durch länger zurückliegende Handlungen verursacht worden sind, verjährt sind, während Ansprüche auf Ersatz von Schäden aufgrund von gleichartigen, aber später vorgenommenen Handlungen noch durchsetzbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2024 - X ZR 9/23 - BGHZ 240, 79 Rn. 60 ff. m. w. N.).

25 Ausgehend von diesem Maßstab und den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt (Oder) in seinem rechtskräftigen Strafurteil vom 5. November 2015 ist der Anspruch der Klägerin aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG für jeden der 20 vom Landgericht festgestellten Fälle der gewerbsmäßigen Untreue (§ 266 Abs. 1, 2 i. V. m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 4 StGB) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gewerbsmäßigem Computerbetrug (§ 263a Abs. 1, 2 i. V. m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 4 StGB) im Zeitraum zwischen September 2006 und Mai 2011 gesondert entstanden. Innerhalb der 20 Fälle, für die das Landgericht Tatmehrheit (§ 53 StGB) angenommen hat, kommt es für die Verwaltungshaftung gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG auf jede einzelne monatliche Zahlung an. Das Landgericht hat festgestellt, dass die monatlichen Zahlungen mittels ausgedruckter Zahllauflisten zu prüfen und zu unterzeichnen waren. Auf diese Weise veranlasste die Sachbearbeiterin monatlich jeweils auf Grundlage eines neuen Entschlusses die Zahlungen auf ihre Konten. Erst nachdem sie den monatlichen Zahlungslauf ausgelöst hatte und die jeweiligen Beträge auf ihrem Konto eingegangen waren, war der Schaden bei der Klägerin entstanden. Dadurch waren Bundesmittel zweckwidrig verwendet worden.

26 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Schaden nicht erst zu dem Zeitpunkt entstanden, als ein Regressanspruch gegen die Sachbearbeiterin nicht mehr durchsetzbar war; nach Auffassung der Klägerin war dies nicht vor Juli 2014 der Fall. Der Regress betrifft eine mögliche Wiedergutmachung des Schadens, nicht aber seine Entstehung. Die Möglichkeit, Regress zu nehmen, hat nicht zur Folge, dass bis zum Ausschluss des Regresses - wie hier wegen Verjährung - lediglich eine Vermögensgefährdung vorliegt.

27 (2) Die Klägerin hat durch die E-Mail des Beklagten vom 25. November 2015 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die Nachricht enthielt die Mitteilung, dass das strafgerichtliche Berufungsverfahren abgeschlossen und die Sachbearbeiterin wegen gewerbsmäßiger Untreue und Computerbetrugs verurteilt worden ist. Anhand dieser Informationen war der Klägerin die Erhebung einer Schadenersatzklage möglich. Wegen der fehlenden Bezifferung der Schadenssumme hätte sie zunächst eine Feststellungsklage erheben können (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - VI ZR 433/16 - NJW 2017, 3510 Rn. 34 m. w. N.).

28 Zwischen den Beteiligten ist offengeblieben, ob der Nachricht des Beklagten vom 25. November 2015 das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. November 2015 beigefügt war. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wäre es grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von der Klägerin gewesen, das Urteil nicht beim Beklagten anzufordern. Es ist davon auszugehen, dass sie das Urteil innerhalb kurzer Frist erhalten und somit ebenfalls bis zum Ende des Jahres 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hätte.

29 (3) Die dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB hat somit gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2015 begonnen. Vorbehaltlich einer Hemmung der Verjährung lief sie am 31. Dezember 2018 ab.

30 cc) Die Verjährung war durch die Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Sinne des § 203 Satz 1 BGB nicht ausreichend lange gehemmt.

31 Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung für die Dauer von Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner gehemmt. Die Vorschrift ist im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juli 2008 - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 19). Der Anspruch im Sinne des § 203 Satz 1 BGB ist nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, sondern weiter im Sinne eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen (vgl. BT-Drs. 14/6040 S. 112). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch der Begriff "Verhandlungen" weit auszulegen. Der Gläubiger muss lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder Erfolgsaussicht besteht (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08 - BGHZ 182, 76 Rn. 16 und vom 14. Juli 2022 - VII ZR 255/21 - NJW-RR 2022, 1286 Rn. 23, jeweils m. w. N.). Die Verhandlungen sind beendet, wenn eine Partei die Fortsetzung verweigert. Wegen der Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche muss diese Verweigerung durch ein klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 - XII ZR 116/17 - NZFam 2019, 170 Rn. 38 m. w. N.).

32 Nach diesem Maßstab haben nur im Zeitraum vom 24. Juli 2017 bis zum 6. April 2018 Verhandlungen zwischen den Beteiligten geschwebt. Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 machte die Klägerin erstmals ihren Anspruch auf ein Drittel des entstandenen Schadens geltend. Daraufhin bat der Beklagte mit Schreiben vom 17. August 2017 um Erläuterung, auf welche sachliche und rechtliche Grundlage der Anspruch gestützt werde. Unter dem 23. August 2017 erläuterte die Klägerin, es liege eine vorsätzliche Pflichtverletzung der Mitarbeiterin des Landkreises vor, die dem Beklagten zuzurechnen sei. Der Beklagte habe nicht versucht, den Schaden bei der Täterin geltend zu machen. Die Schädigung beruhe zumindest auch auf dem pflichtwidrigen Unterlassen der Geltendmachung des Schadens durch den Beklagten im Jahr 2014. Der Beklagte äußerte in einem Schreiben vom 28. September 2017 Zweifel an einem eigenen Anspruch des Landes gegen die Mitarbeiterin des Landkreises und teilte mit, er habe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den Landkreis geltend gemacht. Sobald die Zahlung eingehe, werde der Klägerin umgehend ein Drittel der Schadenssumme überwiesen. In einem weiteren Schreiben vom 15. Dezember 2017 teilte der Beklagte mit, er werde noch im Jahr 2017 Klage gegen den Landkreis erheben. In einer E-Mail vom 15. März 2018 fragte er bei der Klägerin an, ob sie der Klage gegen den Landkreis beitreten oder ihre Forderung an den Beklagten abtreten wolle. Mit E-Mail vom 6. April 2018 lehnte die Klägerin einen Beitritt ab. Eine Abtretung komme nur gegen Zahlung von 76 839 € an die Klägerin in Betracht. Andernfalls werde sie ihren Anspruch gegen den Beklagten unabhängig vom Ausgang des Klageverfahrens des Beklagten gegen den Landkreis weiterverfolgen.

33 Mit dieser E-Mail hat die Klägerin klargemacht, dass es aus ihrer Sicht über den Anspruch nichts mehr zu verhandeln gebe. Sie hat den Ausgang des Verfahrens gegen den Landkreis zwar weiter abgewartet; ihren Anspruch gegen den Beklagten hat sie jedoch nicht in Frage gestellt, sondern auf Erfüllung des Anspruchs bestanden. Das bestätigt ihr Schreiben vom 20. Januar 2020, mit dem sie erneut darauf hinwies, der Anspruch bestehe unabhängig davon, ob der Beklagte im Klageverfahren gegen den Landkreis Erfolg haben werde. Angesichts dieser ausdrücklichen Erklärung liegt auch keine einvernehmliche Unterbrechung der Verhandlungen vor, die insbesondere durch das Abwarten weiterer Entwicklungen oder den Ausgang anderer gerichtlicher Verfahren motiviert sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 - XII ZR 116/17 - NZFam 2019, 170 Rn. 38).

34 Die Verjährung war damit nur für rund acht Monate gehemmt und trat folglich ausgehend vom Beginn der dreijährigen kenntnisabhängigen Frist zum Jahresbeginn 2016 im Herbst 2019 ein (vgl. § 209 BGB). Der Anspruch war daher bei Klageerhebung am 30. November 2023 bereits verjährt. Etwas anderes ergäbe sich im Übrigen auch dann nicht, wenn mit der Klägerin davon auszugehen wäre, dass sie die erforderliche Kenntnis erst mit dem Prüfvermerk des Bundesrechnungshofs vom 19. Juli 2017 gehabt hätte. Unter Berücksichtigung der dann zum Jahresbeginn 2018 laufenden Verjährung und der bis April 2018 dauernden Verhandlungen wäre Verjährung im Jahr 2021 eingetreten. Auch die regelmäßige Verjährung des auf den unterlassenen Regress bei der Mitarbeiterin gestützten Haftungsanspruchs (vgl. a) bb) (2)) hätte am 1. Januar 2018 begonnen und wäre bei Klageerhebung abgelaufen gewesen.

35 dd) Die Verjährung war darüber hinaus auch nicht dadurch gehemmt, dass der Beklagte aufgrund einer Vereinbarung mit der Klägerin vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt war (§ 205 BGB analog).

36 Die Vorschrift ist im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1995 - 3 C 17.94 - BVerwGE 99, 109 <111> m. w. N. [zu § 202 Abs. 1 BGB a. F.]). Ziel einer solchen Vereinbarung ist es, eine gerichtliche Auseinandersetzung über eine strittige Forderung einstweilen zu verhindern. Die Vereinbarung kann auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Hierfür muss aber ein äußeres Verhalten festgestellt werden, das als Ausdruck einer solchen einvernehmlichen Entschließung ausgelegt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - IX ZR 180/09 - NJW-RR 2011, 208 Rn. 15 m. w. N.). § 205 BGB ist als Auffangtatbestand für nachträgliche Vereinbarungen gedacht, die dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht geben, ohne gleichzeitig ein Anerkenntnis zu enthalten (vgl. BT-Drs. 14/6040 S. 118).

37 Ein solches "Stillhalteabkommen" entsprach zwar den im Ausgangspunkt gleichgelagerten Interessen der Beteiligten, den Schaden vom Landkreis ersetzt zu bekommen. Das Abwarten der Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Beklagten gegen den Landkreis diente dazu, eine Klage der Klägerin gegen den Beklagten zu vermeiden. Hätte er gegen den Landkreis obsiegt und wie angekündigt ein Drittel der Schadenssumme an die Klägerin überwiesen, hätte sie nicht klagen müssen. Ungeachtet ihres langen Zuwartens hat sie aber nicht, auch nicht durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass der Beklagte zur Verweigerung der Leistung berechtigt sein soll und sie sich bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens des Rechts begibt, ihren Anspruch einzuklagen. Für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen fehlen objektive Anhaltspunkte. Er stünde auch im Widerspruch zu ihren Erklärungen. Sie hat in ihrem Schreiben vom 20. Januar 2020 - ihrer letzten Äußerung vor dem Abschluss des Verwaltungsstreitverfahrens des Beklagten gegen den Landkreis - im Anschluss an die Nachricht vom 6. April 2018 unterstrichen, ihr Schadenersatzanspruch bestehe unabhängig davon, ob der Beklagte in seinem Klageverfahren Erfolg haben werde.

38 ee) Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung nicht arglistig erhoben.

39 Der Einrede der Verjährung kann der Arglisteinwand aus § 242 BGB nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat. Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre, wobei insoweit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12 - ‌NJW-RR 2014, 1020 Rn. 15 m. w. N.).

40 Hiernach hat der Beklagte die Klägerin nicht treuwidrig von einer rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten. Der Beklagte hat den geltend gemachten Anspruch weder eindeutig zurückgewiesen noch anerkannt oder zugesagt, die Summe auch für den Fall des Unterliegens im Verfahren gegen den Landkreis zahlen zu wollen. Die Klägerin hat ihm gegenüber deutlich gemacht, ihr Anspruch bestehe unabhängig vom Ausgang des Verfahrens gegen den Landkreis. Das Abwarten bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen den Landkreis nach der Hemmung durch die Verhandlungen zwischen dem 24. Juli 2017 und dem 6. April 2018 (s. o. cc)) lag damit auch in ihrer Risikosphäre.

41 ff) Da die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB analog verstrichen ist, kommt es auf den Ablauf der kenntnisunabhängigen zehnjährigen Verjährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB), die der Senat hier ebenfalls für anwendbar erachtet, nicht an.

42 3. Fehlt es danach an einem durchsetzbaren Hauptanspruch, besteht auch kein Zinsanspruch als Nebenforderung (§ 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog).

43 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.